Pauschalpreis für Alle?

  • Simon Schmitz
  • market, customers, tariffs

Die Marketingforen und Zeitungen sind voll davon: alle zelebrieren sie den Siegeszug des Pauschalangebots. Als Startup-Geschäftsführer mit einem extrem unpauschalen Angebot hört man das auch hin und wieder in Gesprächen mit potentiellen Investoren.

Zukünftig soll nicht nur mehr der Urlaub oder die Jahreskarte der Wiener Linien all-inclusive sein, sondern es soll den Monatspreis für eine warme Wohnung, die grenzenlose e-Mobilität, oder den zufriedenen Telefonkunden geben. Und den Rest erledigt der Anbieter ohne weitere Forderungen zu stellen oder irgendwelche Verbräuche zu messen. Aber ist das wirklich so einfach wie es sich anhört (oder aussieht)?

Warum der Trend zum Pauschalangebot?

Ich würde sagen einer der Hauptgründe für den Trend zum Pauschalangebot ist, dass die Welt für alle immer komplizierter wird; weil es (hauptsächlich Online) immer mehr Informationen gibt, die es zu verarbeiten und abzuwägen gilt. Da ist jede Reduktion von Komplexität willkommen: simplicity is king. Der Zyniker würde sagen: man will nicht zu viel nachdenken, weil man die Gehirnkapazität ja braucht, um den Facebook-Feed durchzugehen. Aber mal ehrlich: an diesem Argument ist nicht viel zu rütteln, und das wird sicher auch so weiter gehen.

Ein ganz anderer Faktor, der sowohl im Energie- als auch Telkobereich eine Rolle spielt, sind die Leitungskosten: es braucht die Infrastruktur, um das Netz aufzubauen, und da ist es dann immer unwichtiger, wieviele Einheiten von einem Produkt jemand aus dem Netz bezieht. Sobald er Zugang haben möchte, zahlt er, und zwar pauschal (pro Zeiteinheit). Die Bereitstellung von Daten selbst ist hier also nicht so teuer wie die Bereitstellung der Übertragungskapazität. Oder in anderen Worten, die kurzfristigen Grenzkosten der Dienstleistung sind nicht so hoch wie die langfristigen. Das stimmt auch für Strom, weil auch hier das Netz ausgebaut werden muss, zum großen Teil um Strom aus Windparks und Solarzellen zu transportieren. Und eben diese Windparks und Solarpanele, die selbst fast nur langfristige Grenzkosten haben und die Energie wenn verfügbar umsonst bereitstellen (= null kurzfristige Grenzkosten), wollen (noch) subventioniert werden. All dies sind weitere Gründe für den Ruf nach Strompauschalpreisen.

Volatilität statt Pauschalität

Aber es gibt gerade beim Strom auch einen gegenläufigen Trend: das Angebot an Energie selbst schwankt immer stärker (und damit schwanken auch die kurzfristigen Grenzkosten), weil immer mehr Solar- und Windenergie im Netz ist. Das führt zu niedrigen Preisen in windigen und sonnigen Zeiten, die außer aWATTar HOURLY (aWATTar’s Tarif mit stündlich dynamischen Preisen) noch kein Stromtarif an die Verbraucher weitergibt.

Eine Parallele hierzu für die Telkobranche, also ein schwankendes Angebot von Daten, gibt es nicht.

Und was noch hinzukommt: jetzt gibt es noch zu viele Kraftwerke im Markt. Diese wurden alle gebaut, weil die Stromkonzerne und auch Stadtwerke die Entwicklung der Erneuerbaren unterschätzt haben. Je mehr alte Kraftwerke über die Jahre in “Pension” gehen, desto mehr werden auch wieder Preisspitzen am Markt sichtbar werden, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Das Ergebnis werden noch stärker schwankende (volatile) Preise sein.

Wann machen präzisere Tarife Sinn?

Wie wird also der Stromtarif der Zukunft in diesem Spannungsfeld aussehen? Fragen wir uns doch einmal generell, wann präzisere Abrechnungen Sinn machen.

Zunächst einmal muss man festhalten, dass präzise Abrechnung technisch gesehen immer unproblematischer wird. Weil große Datenmengen immer weniger ein Problem darstellen. Big Data sollte eigentlich Small Data (but a lot of it) heißen, weil es kleinere Einheiten sind, die abgerechnet werden, von denen dann aber mehr anfallen. Soviel zum Aufwand. Wie steht es aber mit dem Zweck?

Hier helfen uns erstens ein paar Beispiele aus der vielzitierten shareconomy. Dieser Trend zum Teilen wirkt nämlich oft entgegen den Pauschalangeboten. Hier wird Kapazität geteilt, das heißt es muss relativ genau abgerechnet werden, wer wieviel davon nutzt, sonst hat man keinen Anreiz zum Teilen!

  • Vor etwa einem Jahr wurde ich Mitglied bei zipcar, und war froh, dass man hier auch mal spontan am Sonntag morgen einen Wagen mieten kann, und dieser dann auch preiswerter ist, wenn man schon am Nachmittag wieder zu Hause sein muss, damit der (etwas atypische) Schlafrhythmus des Sohnemanns eingehalten werden kann. Seit ein paar Monaten geht das Ganze jetzt mit DriveNow in Wien auch im Minutentakt. Schnell was zu einem Freund transportieren, Auto abstellen, dann im Prater laufen gehen, perfekt. Und mir werden nur 40 Minuten berechnet. Das ist alles andere als pauschal.
  • D.h. also präzisere Abrechnungen machen Sinn, wenn sie für den Kunden einen Wert haben. In diesem Fall spare ich, wenn ich nur kurz fahre. Das kann ich selbst beeinflussen, und ist im Übrigen bei meinem Handytarif nicht so. Hier habe ich eher das Gefühl, dass das Pauschalangebot ein schöner Weg für die Anbieter ist, dem Kunden mehr (Freiminuten) zu verkaufen, als er wirklich braucht, und ihn bei Überschreitung der “Pauschale” zur Kasse zu bitten. Beides natürlich um die Netzkosten (inkl. Fixkosten für LTE-Lizenzen) zu finanzieren

Zum Zweiten machen präzisere Abrechnungen Sinn, wenn es Flexibilität beim Kunden gibt, mit der er die Vorteile nutzen kann.

  • Beim Telefonieren wurden die zeitabhängigen Tarife irgendwann zu mühsam, da es einfach nicht genug Flexibilität gab: ein Telefonanruf wird immer von einem Menschen ausgelöst und braucht noch dazu mindestens einen zweiten, um seinen Zweck zu erfüllen; und Menschen sind nun mal sehr unflexible Wesen.
  • Aber dieses Beispiel aus dem Telekombereich ist kein Grund, zeitabhängige Stromtarife zu verteufeln! Warum nicht? Weil die Services, die von Menschen nachgefragt werden und die Strom erfordern, immer mehr vom Stromverbrauch selbst entkoppelt werden können.
  • Das gilt sicher nicht für alles. Aber viele Dinge, die Energie verbrauchen, werden heute schon nicht direkt von Menschen kontrolliert; wenn ein Speicher vorhanden ist wie z.B. in der Fußbodenheizung oder im Warmwasserboiler sind es oft nur die Grundeinstellungen (wie z.B. die Solltemperatur im Raum), die von Menschen kontrolliert werden. Den Rest macht irgendeine Art von Regler heute schon automatisch. Die Einführung von Batterien für Autos und Solaranlagen wird diese Entkopplung noch weiter beschleunigen.
  • Und das Internet der Dinge wird die heute schon vorhandenen Regler noch stärker vernetzen und auf äußere Zustände wie z.B. flexible Strompreise reagieren lassen: das wird das ganze System immer flexibler machen, und ist ein weiterer Grund dafür, eine präzise Abrechnung anzubieten.

Und zum Dritten machen präzisere Abrechnungen Sinn, wenn sie dafür sorgen, dass das Angebot mit der Nachfrage in Einklang kommt, oder andersherum.

  • Wenn entweder die Nachfrage oder das Angebot stark schwankt, und das Produkt nicht gespeichert werden kann, MUSS es variable Preise geben, um das Beste für alle herauszuholen.
  • Ein weiteres Beispiel aus der shareconomy ist UBER, der Taxiservice, der derzeit die ganze Welt erobert. Ein verfügbares Taxi kann (wie Strom ohne Batterie) nicht gespeichert werden, um denselben Kunden, der jetzt fahren will, später zu transportieren. Zu Zeiten mit hoher Nachfrage steigt hier der Preis, damit mehr Fahrer sich in ihr Auto bemühen, um die Kunden zu bedienen.
  • Mit aWATTar HOURLY hingegen sinkt der Preis, damit Kunden (oder deren automatisierte Geräte/Schnittstellen etc.) sich bemühen, erneuerbare Energie flexibel zu nutzen und zu verhindern, dass sie verschwendet werden muss.

Fazit

Sicherlich ist das letzte Wort in dieser Debatte noch nicht gesprochen. Wir von aWATTar sind gespannt auf die weitere Entwicklung, meinen aber, dass man ruhig auch mal, naja, gegen den Strom schwimmen darf.

HOURLY ist zwar komplexer als die meisten anderen Stromtarife, und daran werden wir noch arbeiten müssen (Vorschläge sind jederzeit willkommen!). Aber unsere Kunden können damit die verfügbaren Ressourcen der Natur besser teilen, ihre Kosten besser selbst zum Positiven beeinflussen, und vorhandene Flexibilitäten nutzbar machen, um ein zentrales Problem der Energiewende zu lösen.

PS Hoffentlich ändern die Wiener Linien nicht das beste Pauschalangebot, das ich kenne: die Jahreskarte für die Öffis: mit 365€ in einem Jahr so viel fahren wie man will, das ist sensationell (und sehr pauschal!).

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